Montag, Juli 04, 2005

Europäische Verwerfungen

Die ersten harten Kommentare zu dem Dreier-Treffen Chirac-Schröder-Putin in Kaliningrad sind gefallen. Es geht um die kaum 60 Jahre alte ehemals sowjetische Stadt, die aber 750tes Gründungsjubiläum feiert. Grund für die Aufregung sind die Nichteinladungen an die Nachbarn Litauer und Polen, was wiederum die Deutschen und Franzosen kalt lässt. Da kommen böse Erinnerungen aus düsteren Zeiten hoch. Deshalb gab es auch in der FAZ seit langem wieder einen Leitartikel zum Baltikum:
03. Juli 2005 Zwischen Balten und Russen gibt es nach wie vor Konflikte zuhauf: Streit um die Grenzverträge, um den Schulunterricht und die Rolle der russischsprachigen Minderheit, um die Deutung der jüngeren Geschichte. Als ob das nicht genug wäre, wurden die Beziehungen in jüngster Zeit weiteren Belastungen ausgesetzt: durch die geplante Erdgasleitung auf dem Grund der Ostsee und die Feiern zur Stadtgründung Königsbergs vor 750 Jahren.

Neu sind nicht nur die Themen des Zwists; neu ist, daß der Zorn der Balten sich nun auch gegen Berlin richtet. Erstmals fielen scharfe Worte gegen die deutsche Politik aus einer jener Hauptstädte, die sich Deutschland historisch und kulturell eng verbunden fühlen. Daß ein litauischer Außenminister sagt und verbreiten läßt, die "politische Führung Deutschlands" berücksichtige historische und politische Sensibilitäten Mittelosteuropas zuwenig, muß den Bundeskanzler und den Außenminister schmerzen, zumal von dieser Kritik ausdrücklich die Arbeitsebene (die Diplomaten und Beamten) ausgenommen wurde. Noch mehr als auf Fischer, der sich immerhin einmal im Jahr mit den drei baltischen Außenministern trifft, zielt der Hieb auf Schröder. Hätte der litauische Außenminister das auch gesagt, wenn er damit rechnete, daß er mit diesem Kanzler noch weitere Jahre zu tun hat, oder will er sich schon Gehör schaffen beim nächsten Außenminister?

Was immer hier Berechnung sein mag und was spontaner oder gar unbedachter Zorn - sicher ist, daß die letzten Monate politische Verschiebungen gebracht haben nicht nur zwischen Riga, Reval, Vilnius und Moskau, sondern darüber hinaus in Mittelosteuropa - verflochtener und vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
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Dazu fällt mir von deutscher Seite nur ein: Tendenz der letzten 15 Jahre in der Aussenpolitik - wir sind nur für das Große zuständig. Vorher Gorbatschow und Sowjetunion, dann Jelzin und Russland und jetzt Putin und Schröder. Darunter machen wir es nicht. EU-Osterweiterung war schon lästig, Ukraine und Neuwahlen: aber bitte immer an Russland denken, Georgien schon ziemlich weit weg. Ist Weissrussland eine Diktatur oder nicht, kaum von Bedeutung. Hauptsache Versöhnung mit Moskau. Oder geht es hier nur ums Gas, wie es die amerikanische Seite schon öfter als Retourkutsche (Irak) gegen die Europäer (Old Europe) anführt?

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