Freitag, Dezember 05, 2008

Überraschendes politisches Schauspiel um Geld

Auch Estland ist von der derzeitigen globalen Finanzkrise betroffen. Aus diesem Grund planten die Parlamentarier einen Schritt, der für ihre Kollegen weltweit ungewöhnlich ist. Üblicherweise wird gerade über gegenteilige Beschlüsse gestritten: Die Abgeordneten von Riigikogu wollen sich angesichts der klammen finanziellen Situation der Einwohner Estlands die automatische Vergütungserhöhung verweigern.

Das aber verstößt nach Ansicht von Präsident Toomas Hendrik Ilves gegen die Verfassung. Bereits einmal hat er das Gesetz zu neuerlichen Beratung an das Parlament zurück verwiesen. Die Abgeordneten verabschiedeten es aber erneut. Jetzt hat der Präsident die Novelle beim Verfassungsgericht eingereicht, daß wohl bis Februar kommenden Jahres entscheiden wird.

Õiguskantsler[1] Indrek Teder ist der Ansicht, daß die Verfassung zwar in der Tat die Erhöhung des Einkommens der Abgeordneten für die laufende Legislaturperiode verbiete, diese also nur für das nächste Parlament in Kraft treten könne. Dies gelte aber nicht für eine Senkung und das Einfrieren der Bezüge. Diese Meinungsäußerung hat nach Auffassung des Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, Väino Lind, die Abgeordneten so weit überzeugt, daß das Gesetz mit 58 von 101 Stimmen verabschiedet wurde.

Die Reformpartei hat sich der Stimme jedoch enthalten. Jürgen Ligi begründete, daß angesichts von Arbeitslosigkeit und stagnierenden Einkommen dies auch für die Parteifreunde unangenehm sei.

Der Vorsitzende der Fraktion der Grünen, Marek Strandberg, bestätigt, es sei für die Gesellschaft in Krisenzeiten nicht egal, ob das Parlament konsequenten Sparwillen beweise. Gleichzeitig halte er es für richtig, den Streit zwischen staatlichen Organen vor dem Verfassungsgericht auszutragen.
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[1] Diese Institution ist in der estnischen Verfassung ein über den Ombudsmann weit hinaus gehendes Amt, daß auch die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebung und die Arbeit der kommunalen Selbstverwaltung beobachtet und berät.

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